Predigt über Philipperbrief 1, 3-11
Liebe Gemeinde,
am Freitag war ich mal wieder in Oberweimar. In meiner Heimatgemeinde. Ich ging zuerst durch den Pfarrgarten. Da hatte sich gar nicht so viel verändert. Die alte Feuerstelle, die Sitzecke, die großen alten Bäume – alles war noch so, wie ich es in Erinnerung hatte. Und als ich das Pfarrhaus betrat, da wurde mir ganz warm ums Herz. Wir saßen im kleinen Gemeinderaum. Hier hattest Du Konfirmandenunterricht, dachte ich. Damals, als dein Glaube Woche für Woche gewachsen ist.
Und hier war später die Junge Gemeinde. Hier haben wir zusammen gesungen und gebetet, gekocht, gespielt, geredet über Gott und die Welt. Wir waren nicht viele. Acht bis zehn Jugendliche vielleicht. Aber es war eine gute Gemeinschaft, an die ich immer wieder gern zurückdenke. Die meisten habe ich aus den Augen verloren. Mit einigen bin ich heute noch eng befreundet.
Sie sind Taufpaten unserer Kinder geworden.
Der Glaube braucht die Gemeinschaft. Davon bin ich überzeugt, spätestens seit dieser Jungen Gemeinde. Ohne diese Erfahrung guter Gemeinschaft im Glauben wäre ich ganz sicher nicht Pfarrer geworden.
Du kannst zwar auch zuhause für dich beten und in der Bibel lesen. Aber es ist noch mal etwas ganz anderes, wenn Du es zusammen mit anderen tust. Dann wirst Du reich beschenkt. Viel reicher, als wenn Du für dich allein bleibst.
Wenn es Dir schlecht geht, dann weißt Du: Andere beten für mich, gerade jetzt, wenn mir die Kraft dazu fehlt. Oder Du erfährst: Andere stärken mich, wenn ich mich nicht selbst stärken kann.
Solch eine Erfahrung von christlicher Gemeinschaft muss auch der Apostel Paulus gemacht haben. In der Gemeinde in Philippi. Er hat die Gemeinde in der mazedonischen Hafenstadt gegründet. Und die meisten aus dieser Gemeinde sind ihm eng ans Herz gewachsen.
Sehr warmherzig klingen die Worte, die er in der Einleitung seines Briefes an die Philipper schreibt:
3 Ich danke meinem Gott jedes Mal, wenn ich an euch denke; 4 immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude 5 und danke Gott dafür, dass ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt vom ersten Tag an bis jetzt.
Paulus schaut dankbar zurück. Und das tut ihm gut. Denn ihm selbst geht es gar nicht gut, als er diese Worte schreibt. Er sitzt wieder mal im Gefängnis. War irgendjemandem auf den Schlips getreten mit seinen missionarischen Bemühungen. Wurde angezeigt und verhaftet. Und nun weiß er noch nicht, wie es mit ihm weiter geht. Im schlimmsten Fall könnte er auch zum Tod verurteilt werden.
Aber wie gesagt, es tut ihm gut, an die Gemeinde in Philippi zu denken. Wahrscheinlich haben sie ihm etwas ins Gefängnis geschickt. Eine Summe Geld vielleicht oder irgendeine Aufmerksamkeit, über die er sich besonders gefreut hat. Sie haben ihn nicht vergessen. Und wollten ihm etwas Gutes tun.
Ja, besonders warm klingen seine Worte: Ich danke meinem Gott jedes Mal, wenn ich an euch denke; 4 immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude.
Es ist ihm wieder einmal klar geworden, wofür er all das auf sich nimmt, all die Anfeindungen, die Verletzungen, die Haft, die Todesgefahr. Für das Evangelium, das eben doch immer wieder auf fruchtbaren Boden fällt. Für die Gemeinschaft in Christus. Für die Kraft, die das Leben der Menschen verändert. Dass sie sich nicht gegenseitig fertig machen oder einander gleichgültig sind. Sondern in Frieden zusammenleben leben und füreinander da sind.
Er denkt an Philippi und es macht ihn glücklich. Er hat schon ganz andere Erfahrungen gemacht, in Korinth zum Beispiel, wo sich alle gegenseitig schlecht gemacht haben. Wo er sich beinahe aufgerieben hat, um die Konflikte in dieser Gemeinde zu lösen.
Freilich ist auch in Philippi nicht alles in Ordnung. Freilich muss er auch dort Leute ermahnen, sich endlich zusammenzureißen. Aber er weiß, dass seine Worte dort zu Herzen genommen werden.
Paulus schreibt weiter:
6 Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu. 7 Es ist nur recht, dass ich so über euch alle denke, weil ich euch ins Herz geschlossen habe. Denn ihr alle habt Anteil an der Gnade, die mir durch meine Gefangenschaft und die Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums gewährt ist.
Vom „guten Werk Gottes“ schreibt Paulus hier. Und von der „Gnade“, die ihm und seiner Lieblingsgemeinde gegeben ist. Eine Gemeinschaft, nach der man Sehnsucht bekommt. Welche Gemeinde bekommt schon solche schönen Worte zu hören:
8 Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat.
Ich frage mich: Gibt es Menschen, die Sehnsucht nach unserer Gemeinschaft hier in Stotternheim / Schwerborn haben? Menschen, die zuhause sind und nicht mehr kommen können? Menschen, die jetzt woanders leben und dort nicht mehr solche Gemeinschaft finden können wie hier? Ich denke, es gibt sie und ich habe auch einige vor Augen. Menschen, die hier gute, stärkende Gemeinschaft erfahren haben.
Paulus sehnt sich nach seiner Lieblingsgemeinde. Und er tut das, was er auch dort vor Ort immer mit seinen Glaubensgeschwistern getan hat. Er betet. Für sie alle.
9 Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird,
10 damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt. Dann werdet ihr rein und ohne Tadel sein für den Tag Christi,
11 reich an der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus gibt, zur Ehre und zum Lob Gottes.
Zweimal spricht Paulus von der Liebe. Er selbst sehnt sich in herzlicher Liebe nach den Philippern. Weil er dort viel Liebe erfahren und erlebt hat. Liebe, die reich ist an Einsicht und Verständnis. Einsicht in die eigenen Fehler und Schwächen. Verständnis für die Fehler und Schwächen der anderen. So kann man beurteilen, worauf es wirklich ankommt. Nicht auf Stärke und Intellekt, nicht auf den dicken Geldbeutel oder auf Stand und Herkunft. Sondern auf jeden Menschen, den Jesus erst einmal so annimmt, wie er ist und den er dann durch Liebe zum Guten hin verändert.
So kann man auch das lernen, was uns Menschen so unglaublich schwer fällt: nämlich anderen zu vergeben, wenn sie uns verletzt haben.
Danach sehnt sich Paulus, nach so einer Gemeinschaft. Er betet für sie, dass so bleibt wie sie ist und noch reicher an Liebe wird. Denn er weiß um die Gefahren. Schnell kann all das verloren gehen. Schnell kann man selbst verhärten und lieblos werden, wenn andere lieblos oder bösartig mit einem umgehen. Schnell kann man gleichgültig werden, wenn die eigenen Sorgen und Probleme überhand nehmen. Christliche Gemeinschaft ist wunderschön, wenn sie gelingt. Sie ist wie eine zarte Blume, die man immer wieder anschauen und genießen möchte. Aber sie ist eben wie eine zarte Blume, die auch schnell verdorren oder von Wind und Wetter zerstört werden kann.
Kein Mensch kann sie herstellen. Durch noch so tolle Konzepte. Sie wächst einfach. Sie wird von Gott geschenkt. Sie ist sein gutes Werk.
Daher sein unablässiges Gebet für die Gemeinde in Philippi. Daher seine wärmenden und lobenden Worte.
Ich wünsche mir, dass sie auch in uns die Sehnsucht wecken. Sehnsucht nach einer solchen Gemeinschaft. Oder dass sie uns die Augen öffnet, wenn solche Gemeinschaft schon da ist. Wo die Liebe an erster Stelle steht. Wo wir füreinander da sind. Miteinander leben. Freude und Leid teilen. Füreinander beten. Zusammen Gott in unserer Mitte feiern. So etwas prägt für das ganze Leben. Es stärkt den eigenen Glauben. Es schafft etwas, das jeder Mensch nicht nur in seinem Leben, sondern auch in seinem Glauben braucht: das Gefühl, zuhause zu sein. Amen.